Fremdgehen, Affären, Seitensprung- wie geht’s weiter nach der Untreue? Hat unsere Beziehung eine Chance? (Podcast)

Untreue zu verzeihen, wie geht das eigentlich? Bedeuten Affären und Seitensprünge das endgültige Beziehungs-Aus oder gibt es die Chance auf einen Neuanfang? Ein Artikel & Podcast übers Betrügen und Betrogenwerden- wie man Beziehungskatastrophen übersteht und neue Wege in der Partnerschaft finden kann. Podcast auf YouTube hören.


Fremdgehen Affären Seitensprung

Foto: Moritz Bechert

 


Die meisten von uns machen irgendwann in ihrem Leben irgendwann Bekanntschaft mit dem Alptraum jeder Paarbeziehung: einem Seitensprung, einer Affäre oder schlichtweg dem Fremdgehen. Entweder haben wir betrogen und stehen nun vor der Entscheidung, es dem Partner zu sagen und damit die Beziehung zu riskieren oder zu schweigen. Oder wir wurden betrogen und stehen ebenfalls vor der Entscheidung, den Partner zu verlassen oder ihm noch eine Chance zu geben.

Wie weiter nach der Untreue, gibt es eine Chance für die Beziehung nach dem Seitensprung und wie kann man eigentlich verzeihen lernen- die Frage lässt sich unmöglich mit einem Satz beantworten.


Kennst Du schon den “Leben-Lieben-Lassen”-Podcast auf Apple Podcasts und Spotify?

 

Es gibt kaum etwas schmerzhafteres in einer Beziehung, als den Moment, wenn klar wird- der Partner oder die Partnerin hat uns betrogen. Dann schwanken wir in einer Mischung aus namenlosem Entsetzen, Scham, unbändiger Wut und katastrophaler Verlustangst hin und her. Jeder, der schon einmal in dieser Situation war, weiß wie einem das den Boden unter den Füßen wegzieht, auch wenn man vorher vielleicht der Meinung war, man könnte gelassen und souverän mit dem Thema umgehen, wenn es denn überhaupt jemals vorkommen würde. Pustekuchen.

Die Erfahrung ist in jeder Hinsicht überwältigend und mit emotionalen Abstürzen verbunden. Ich kenne niemanden, den das kalt lässt, selbst dann nicht, wenn die Beziehung als schwierig oder belastend erlebt wird und man selbst schon mal über Trennung nachgedacht hat. Warum also, verletzt es uns so sehr, vom Partner betrogen zu werden?

Das klingt eigentlich schon in der Auswahl unserer Wörter an, die wir benutzen. Wir sprechen von „betrogen werden“. Wenn sich zwei Menschen auf eine Beziehung einlassen, dann gehen Sie natürlicherweise von einer Exklusivität dieser Beziehung aus. Es sei denn, es wurde explizit etwas anderes besprochen, wie beispielsweise bei der Polyamorie.

Für alle anderen gilt: Ob darüber miteinander gesprochen wird oder nicht, die meisten Menschen haben ein bestimmtes Beziehungsbild im Kopf. Es geht dabei um unsere Werte und Vorstellungen, auf denen die Beziehung basiert und auf die wir uns ausgesprochen oder unausgesprochen geeinigt haben. Man kann sich das vorstellen wie das Fundament eines Hauses. Zu diesen Werten gehören unter anderem die Treue, Respekt, Ehrlichkeit, aber eben auch Sicherheit und Vertrauen, sowie die Intimität, die Vertrautheit zwischen uns.

 

Werden diese Werte einseitig verletzt oder außer Kraft gesetzt, dann gerät das Fundament der Beziehung ins Wanken und manchmal bricht es sogar auseinander.

 

Wir fühlen uns betrogen von dem Menschen, von dem wir das am wenigsten erwarten, bei der wir glauben, uns am sichersten fühlen zu können. Das fühlt sich wie Verrat an und tut unglaublich weh.

Außerdem ist nicht nur die Beziehung an sich in Gefahr, sondern auch mein Lebensentwurf, meine Zukunftsvision und mein Selbstwertgefühl leiden enorm. Geht der Partner fremd, wird in uns ein starkes „Nicht-Okay“ Gefühl ausgelöst, bzw. aktiviert. Irgendetwas an mir ist nicht gut genug, nicht schön genug und so weiter. Das tut sehr weh, denn es verletzt auch unser Selbstwertgefühl.

Der zweite Aspekt: wenn aus einem Ich und einem Du ein Wir entsteht, ist das ein ganz besonders magischer Moment. Zwischen zwei Menschen entsteht etwas, ich einen Beziehungsraum nenne. Dieses Bild verwende ich oft in der Paarberatung. Der Beziehungsraum ist eine Art emotionales Zuhause für uns, ein Ort, den wir zusammen geschaffen haben, in dem wir uns sicher, geborgen und angekommen fühlen wollen, indem wir so angenommen und geliebt sein wollen, wie wir sind. Um uns in diesen emotionalen Beziehungsraum hineinzugeben, müssen wir uns öffnen. Das schafft Nähe und ist die Grundlage von Beziehung, aber es macht auch verletzlich.

 

Denn wird diese Intimität und Vertrautheit des geschützten Beziehungsraumes  von einem Partner verletzt oder aufgekündigt, dann ist das so, als ob sie in Ihrem eigenen Zuhause überfallen werden. Dort wo sie besonders schutzlos sind. Wir fühlen uns dann vom anderen verraten.

 

Die Intimität, die emotionale Nähe, die uns nun nicht mehr zuteil wird, wird dagegen nun mit einem anderen Menschen geteilt. Das widerspricht unserer Grundannahme von der Sicherheit des Beziehungsraumes und auch deshalb erschüttert und der Seitensprung des Partners bis ins Mark.

Der erste Reflex ist dann oft der einer fehlgeleiteten Logik: Wenn mein Partner die Nähe von jemandem anderem sucht, dann habe ich wohl etwas falsch gemacht, denn irgendwie muss das ja an mir liegen. Viele Betrogene suchen die Schuld sofort bei sich. Aber muss es überhaupt an mir oder unserer Beziehung liegen, dass mein Partner fremdgeht? Was sind die eigentlichen Ursachen der Untreue?

Ich versuche in meiner Arbeit generell das Wort Schuld zu vermeiden. Denn wenn einer Schuld hat, dann muss es ja den geben, der nichts dafür kann. In der Außenansicht sieht das auch oft so aus: Das arme Opfer, der oder die Betrogene und der böse Täter, der oder die verantwortungslose Fremdgeher. Ehrlich? Das ist totaler Bullshit und leider viel zu einfach gedacht. Wer wirklich verstehen will, wie man zusammen an diesen Punkt kommen konnte, muss schon etwas tiefer tauchen!


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Ich verstehe zwar sehr gut, dass sich das im ersten Moment des Schocks nach einem Seitensprung für die Betroffenen auch so anfühlen kann, als gäbe es da einfach nur Opfer und Täter. Böse und schuldig, arm und hilflos. Dennoch arbeite ich mit meinen Klienten in der Bewältigung von Untreue daran, aus der Opferperspektive herauszukommen und Ihre Selbstbestimmtheit zurückzuerlangen. Denn aus einer Haltung der Kleinheit und Abhängigkeit heraus ist es gar nicht wirklich möglich, die so notwendige Beziehungsarbeit nach einem Seitensprung wirklich zu bewältigen. Dazu braucht es Augenhöhe.

Außerdem stelle ich in meiner Arbeit immer wieder fest, dass das was der fremdgehende Beziehungspartner tut oder getan hat, sehr viel mehr mit ihm oder ihr selbst zu tun hat, als mit der Beziehung an sich oder dem anderen. Es ist oft ein eigener Mangel an Selbstwert, ein Bedürfnis nach Wertschätzung und Liebe, dass Menschen in Fremdbeziehungen und Affären treibt. Und oft ist die Affäre oder der Seitensprung so eine Art Fluchttreppe aus einem zu eng gewordenen Beziehungsraum, eine Art fehlgeleitete Lösungsstrategie, ein emotionaler Notausgang.

Das klingt verwegen und auch dazu verwende ich das Bild des Beziehungsraumes.


Stell Dir das vor, wie ein schönes Wohnzimmer, licht und hell, chic arrangiert. Da steht ihr Euch am Anfang der Beziehung gegenüber und denkt:  wunderbar, so soll es bleiben. Doch das Leben hat andere Pläne. Es bringt Euch bald schon einen ersten Sack mit Müll vorbei.

Das kann ein Problem von außen sein, das Ihr klären müsst, oder eine Meinungsverschiedenheit. Jedenfalls steht da dieser Sack mit Müll in Eurem schönen Beziehungsraum. Das passiert zwangsläufig in jeder Beziehung. Es ist normal. Nun kommt es darauf an, wie Ihr beide in der Lage seid, diesen Müll auszuräumen und wegzupacken.

Welche Konfliktlösestrategien habt Ihr aus eurem Leben mitgebracht? Traut Ihr Euch, ehrlich zu sein? Bist Du ein Harmoniestreber, der jeden Anflug von Konflikt unter den Teppich kehrt, oder eher ein Streithammel der sich immer durchsetzen muss? Je nachdem, wie Eure erlernte Problembewältigung und Kommunikation funktioniert, seid Ihr den Müll bald los oder der Sack bleibt stehen. Am Anfang macht das nichts, ihr lauft einfach drum herum. Aber die Beziehung dauert, und die Müllsäcke werden mehr.

Habt Ihr bei den ersten Problemen keine geeignete Strategie miteinander entwickelt, resigniert Ihr irgendwann. Dann vermeidet Ihr heikle Themen so lange, bis es muffig und eng in Eurem einst so schönen Beziehungsraum geworden ist. Und während Ihr so tun, als wären die ganzen Müllsäcke nicht da, wird das ganze Miteinander immer anstrengender.

Irgendwann geht einer der beiden Beziehungspartner die Fluchttreppe runter. Viel unterwegs sein, viel Arbeit, ist eine der Fluchttreppen, da muss man die Enge des Beziehungsraumes nicht spüren. Sucht ist ein anderer Notausgang, das dämpft so schön die negativen Gefühle. Und auch Affären und Fremdbeziehungen können eine Fluchtstrategie sein, um aus dem eng gewordenen Beziehungsraum herauszukommen und sich endlich wieder frei, geliebt und gesehen zu fühlen.


 

Wenn ich mit Paaren am Thema Seitensprung arbeite, dann stellt sich immer wieder heraus, dass die tiefere Ursache für die Entstehung der Möglichkeit eines Seitensprungs in der Beziehungsgeschichte zu finden ist. Die Affäre ist vielleicht der offensichtliche der Grund für das aktuelle Beziehungsproblem, und die Entscheidung des Einzelnen und damit auch dessen Verantwortung, aber die Entstehungsgeschichte, wie es möglich wurde, dass da Raum für jemanden anders ist, ist in der Regel in der Beziehung zu finden.

Das klingt erst einmal erschreckend, gibt Paaren aber auch die Macht zurück, diese Themen in Ihrer Beziehung anzuschauen und aufzulösen, wenn sie es wirklich wollen. Und so wird manchmal die Katastrophe der Entdeckung einer Affäre zu einem völligen Neuanfang in der Beziehung.

Nicht selten höre ich dann solche Aussagen:

„Ich bin heute fast dankbar, dass es so gekommen ist, auch wenn es ein sehr schmerzlicher Prozess war. Aber ohne diese Sache mit der Affäre meiner Frau oder meines Mannes, wären wir in unserer Partnerschaft nie an den Punkt gekommen, an dem wir jetzt sind. Wir hätten uns auch weiterhin nicht mit den wirklichen Themen unserer Beziehung beschäftigt. Es wäre einfach so weitergegangen, im alten Trott. Und wahrscheinlich wäre unsere Beziehung dann irgendwann auf eine andere Weise auseinandergebrochen. So aber hatten wir die Chance auf einen Neustart und heute fühlen wir uns zusammen viel besser, als ich das jemals geglaubt hätte.“

Ein weiteres Beispiel aus meiner Beratungspraxis:

Da ist der Mann, der mir unter Tränen beichtet, dass er bereits 10 Jahre eine Affäre habe, aber gerne seine Ehe retten möchte. Nur kommt er halt nicht von seiner Affäre los, trotz vieler Versuche. Er schämt sich schrecklich und glaubt, dass einfach nur seine mangelnde Disziplin und sein schlechter Charakter das Problem sind.

Dass das keine Affäre ist was er da lebt, sondern eine Zweitbeziehung, mit der er all die ungelebten Bedürfnisse auslebt, die in seiner Ehe nicht angesprochen werden dürfen, wird ihm am Ende unseres Termines klar. In Wirklichkeit hat er eine Heidenangst vor seiner Frau, der er nicht sagen kann, dass ihm emotionale Wärme und Zuwendung fehlen, dass er sich wie ein kleiner Junge behandelt fühlt und nicht wie ein Mann. Das alles holt er sich in seiner Zweitbeziehung und verhindert damit, dass die wirklichen Themen in seiner Ehe auf den Tisch kommen. Auf indirekte Weise erhält er durch diese schwierige Dreierkonstellation seine Ehe aufrecht.

Im Laufe unserer Zusammenarbeit wird er das Schein-Konstrukt, dass er errichtet hat, einreißen und den Mut finden, mit seiner Frau über alles zu sprechen. Er stellt sich dem Konflikt, der sich daraus ergibt und auch seine Frau findet die Bereitschaft mit ihm Schicht für Schicht abzutragen, um bis zum tieferen Grund Ihrer Gefühle, Bedürfnisse und Ihrer Verbindung vorzustoßen.

Noch ringen die beiden um einen möglichen Neuanfang und wie dieser aussehen könnte und dennoch hat mein Klient das Gefühl, über sich hinausgewachsen zu sein und etwas auf den Weg zu bringen.


 

So paradox das klingt, die wenigsten Affären haben einfach nur mit Sex zu tun, es geht fast immer um unerfüllte Bedürfnisse nach Liebe und Verständnis, nach Leidenschaft und Nähe oder um die oben beschriebenen Fluchtstrategien aus anstrengend gewordenen Beziehungen.

 

Um das zu verstehen und zu verändern, hilft es nicht nur die Schuldfrage zu stellen. Es geht vielmehr um das Thema Verantwortung und die haben immer beide in einer Beziehung.

Es ist schmerzlich anzuerkennen, dass man nicht nur verletzt wurde, sondern dass möglicherweise auch der andere sich schon lange vorher durch uns verletzt fühlte. Und noch schlimmer: dass wir uns vielleicht selbst verraten, übergangen, oder betrogen haben?

Wenn man ehrlich zu sich selbst ist, kann man sich auch fragen: wann habe ich mich selbst betrogen, bevor ich von meinem Partner betrogen wurde? Habe ich vielleicht die Probleme einfach nicht sehen wollen, die es schon lange zwischen uns gab? Habe ich mich selbst im Stich gelassen, mich hintenangestellt, meine Grenzen übergangen, bevor sie irgendwer anders übertreten hat?

Natürlich geht es dabei nicht um die Rechtfertigung des Verhaltens unseres Partners oder unserer Partnerin, es geht darum vom Zustand des Ausgeliefertseins wieder in den Zustand der Selbstbestimmtheit und Würde zurückzufinden. Und das gelingt, in dem wir Verantwortung für unser eigenes Handeln übernehmen und für unseren Anteil.

 

 

Hat man sich erst einmal verliebt, wird es umso schwieriger sich den wirklichen Themen der Beziehung zu stellen- also das zu tun, was man bisher schon vermieden hat. Und das hat einen, meiner Meinung nach, biologischen Grund, den ich meinen Klienten wie folgt erkläre.

Hat man sich erst einmal verliebt, löst das eine ganze Reihe biochemischer Prozesse in unserem Gehirn aus, die machen, dass wir wie auf Wolken schweben. Es ist ein wunderbarer Zustand, verliebt zu sein: alles ist leicht und wunderbar, das Leben gelingt uns scheinbar mühelos, alles ist rosarot angestrichen, das Ganze hat etwas von Drogenrausch. Schön, aber nicht real.

Nun stellen wir uns einen Menschen vor, der in einer langjährigen Beziehung steckt, in der es zwar sicher ist, aber eben jede Menge unaufgeräumten Beziehungsmüll gibt. Das alles fühlt sich schwer und beladen an, vielleicht auch resigniert. Die Beziehung mit all ihren Mühen, ihren Dreckecken, ihren Abnutzungserscheinungen fühlt sich an, als würde man auf der Schattenseite des Lebens stehen. Und nun geht mit einem Mal die Sonne auf, wie durch Zauberhand gibt es da plötzlich eine andere Seite.

Die Verliebtheit in Form einer Affäre. Locker, leicht, leidenschaftlich und beschwingt. Und ganz ohne die Verantwortung, die Belastung und das ungeklärte Zeugs. Wie magisch zieht es diesen Menschen nun ins Licht. Denn im Zustand des Verliebtseins fühlt sich das alles so real an. Das muss die einzige, wahre Liebe sein. Unser Mensch fühlt sich von Sonnenlicht beschienen, quasi als Sonnenkönigin oder Sonnenkönig- und hat keine Lust mehr auf Schattenarbeit. Das alte war schwer, das Neue ist leicht. Wenn jetzt der im Schatten verbliebene Beziehungspartner auch noch anfängt, über die Beziehung reden zu wollen, an die Verantwortung appelliert und um eine Chance bettelt, dann wird das Problem sich nur noch verschärfen.

 

Die Wahrheit ist: es liegt nicht am Beziehungspartner, wenn sich unsere Beziehung sich wie ein Schattenreich anfühlt. Es liegt auch an uns selbst und daran, wie wir unsere Beziehung gestaltet haben. Auch die Verliebtheit wird irgendwann zur Bodenlandung ansetzen. Die Affäre ist nicht unsere Rettung. Wenn daraus eine echte Beziehung wird, stehen wir irgendwann genau wieder an dem gleichen Punkt. Beziehungsmüll will aufgeräumt werden, Probleme werden auftauchen. Beziehung ist nicht nur schön und aufregend, Beziehung bedeutet die ganze Packung zu akzeptieren: Reibung aushalten, schwierige Themen besprechen, Lösungen finden.


 

„Früher dachte ich, ich könnte niemals meinen Partner betrügen“, habe ich Klienten schon sagen gehört. Und „Wie kann man nur so verantwortungslos noch mir das? Und wie gehe ich jetzt damit um?“.

Es ist nicht schön, wenn man feststellt, dass man seine eigenen Werte über Bord geworfen hat. Aber es zeigt auch, dass Affären oder Seitensprünge nicht einfach mit unmoralischem Verhalten zu begründen ist. Wer den Partner betrügt ist nicht automatisch ein schlechter Mensch. Mir sitzen oft Menschen gegenüber, die extreme Schuldgefühle plagen und die trotzdem tun, was sie tun.

Die Frage ist für mich eher, wie definiert man Seitensprung. Ich erlebe immer wieder, dass die Verletzung der Intimität der Paarbeziehung nicht als rein körperlicher Akt beim Sex gesehen wird, sondern dort wo mein Partner einem anderen Menschen die Nähe, Zuneigung und Vertrautheit schenkt, die mir in der Beziehung fehlt oder die in der Beziehung nicht mehr so gelebt werden kann. Das ist es vor allem, was Menschen als Verrat empfinden. Der Scheinwerfer der Aufmerksamkeit meines Partners ist auf jemanden anders gerichtet und ich stehe im Schatten, verloren und hilflos.

 

 Menschen fliehen nicht vor der Beziehung oder dem Partner, in Wirklichkeit fliehen sie vor der Person, die Sie in der Beziehung geworden sind.

 

Wer mit Schuldgefühlen wegen einer bestehenden Affäre kämpft und Angst hat die Karten auf den Tisch zu legen, sollte sich fragen, was er sich selbst wünschen würde in einem solchen Fall. Würdest Du im Dunkeln bleiben wollen oder würdest Du gerne die Wahrheit wissen, egal wie weh sie tut? Zu wissen, mit was man es wirklich zu tun hat, anstatt Lügen aufgetischt zu bekommen, das ist meiner Erfahrung nach das, was sich alle Menschen wünschen. Irgendwann zu erfahren, dass man mit einer schönen Illusion oder Lüge gelebt hat, ist auf lange Sicht gesehen noch verletzender als die harten Fakten der Wahrheit.

„Ich möchte Ihm oder Ihr nicht wehtun“, sagen mir Klienten oft als Begründung dafür, dass Sie Ihrem Partner die Wahrheit verschweigen. „Aber Sie tun ihr doch schon weh!“ sage ich dann. Vor war genau wollen Sie sie denn beschützen? Vor der Wahrheit, die längst real ist? Wem soll das nützen? Und woher wollen Sie wissen, dass Sie oder er diese Art von Beschützung möchte? Das nicht Teilhaben an der Realität der Beziehung nimmt dem Betrogenen die Möglichkeit, sich irgendwie zu der Tatsache zu verhalten, wie es wirklich um die Beziehung steht. Und das ist der eigentliche Betrug“.


Beispiel aus der Beratungspraxis:

Da ist die Klientin, die auf mich im ersten Moment den Eindruck eines kleinen Mädchens macht. Sanfter Blick, freundliches Lächeln. Sehr zurückhaltend. Sie spricht leise, quillt fast vor Scham-, und Schuldgefühlen über. Seit einem halben Jahr hat sie eine Affäre mit ihrem Kollegen. Sie weiß nicht, wie ihr das passieren konnte, aber sie kann nicht davon lassen. Ihr Mann hat es herausgefunden, er fleht sie an, das zu beenden, er will ihr auch alles verzeihen. Aber sie spüre einfach, dass sie ihn schon lange nicht mehr liebe. Sie kann es ihm nur nicht sagen. Das macht man doch nicht! Mittlerweile sei es schon so schlimm, dass Sie seinen Geruch nicht mehr erträgt. Sie ekle sich vor ihm, gesteht sie mir unter Tränen.

Was soll sie nur machen? „Wenn Du keine Angst hättest, wenn Du wüsstest, dass alles gut gehen würde, dass jeder Dir sein okay geben würde- was würdest Du dann am liebsten in Bezug auf Deine Beziehung tun? Was wäre das Mutigste, was Du tun könntest?“ frage ich. Es platzt fast aus ihr heraus: „Ich würde in eine Wohnung ziehen nur für mich. Ich möchte mich trennen, ich möchte einen Weg finden, wie wir gute Eltern sein können, vielleicht auch Freunde. Ich würde ihm am liebsten sagen, dass ich ihn schon seit Jahren nicht mehr liebe.“

Das ist ihre Wahrheit und das sind ihre wahren Gefühle. Und die sind real, auch wenn sie sie nicht haben will. Aber der Realität ist es egal, ob wir sie haben wollen oder nicht. Sie ist einfach. Sie ist wie das Glas Wasser auf Deinem Tisch. Du kannst sagen „Ich will dieses Wasser nicht, es stört mich, es verletzt mich das es da steht, es sollte da nicht sein!“ Aber das interessiert das Glas nicht. Denn es steht ja schon da. Erst wenn Du akzeptierst, dass es da steht, kannst Du es wegnehmen.

So ist es auch mit den Gefühlen, die wir nicht haben wollen. Du kannst sie nicht wegmachen. Du wirst sie akzeptieren müssen, auf die eine oder andere Weise. Sie finden einen Weg, sich zu zeigen. Wenn Du Deine eigene Wahrheit nicht hören willst, wird Sie einen Weg finden sich Gehör zu verschaffen.

Bei meiner Klientin war es so, dass sich ihre negierten Gefühle und ihre abgewehrte innere Wahrheit in eine Art Ekel vor ihrem Mann entwickelten. Sie mied den Kontakt, floh regelrecht vor seiner Anwesenheit. Wir waren uns einig, dass das eine Zumutung für ihn und für sie war. Sie entschloss sich, sich ehrlich zu machen, egal was das bedeutete…

Im Moment lebt sie in ihrer eigenen Wohnung und die Scheidung läuft. Die Affäre hat sie beendet. Zu Ihrem Mann hat sie ein recht gutes Verhältnis, auch wenn es ein langer Weg war bis dahin.


 

Sich ehrlich zu machen, braucht wirklich Mut. Denn dann müssen wir damit leben, wie der andere reagieren wird und welche Entscheidung er aus dieser Wahrheit für sich treffen möchte. Aber es hat mit dem höchsten Respekt und Achtung dem anderen gegenüber zu tun, dass ich ihm diese Ehrlichkeit entgegenbringe.

 

Muss ein Seitensprung das Ende einer Beziehung bedeuten?

Nein, das muss er nicht. Auch wenn viele Menschen, solange sie es nicht selbst betrifft sagen, dass Sie sofort die Beziehung beenden würden wenn der Partner untreu wird, erlebt man das meist ganz anders, wenn man selbst betroffen ist. Es gibt so viel, was einen in einer langen Beziehung verbindet, kaum jemand will das Knall auf Fall über Bord werfen.

Die Frage ist, wie geht ein Paar damit um. Gibt es eine Bereitschaft, sich wirklich ehrlich zu machen und die oberflächlichen, als auch die tieferen Gründe für diese Entwicklung zu beleuchten? Sind wir bereit, unsere Beziehung neu auszurichten, etwas zu verändern? Beziehungen sind wie lebendige Wesen, sie sind in Bewegung, sie brauchen Nahrung, sie müssen gefüttert werden, sonst sterben Sie.

Eine Paarberatung kann da hilfreich sein, oder auch einschlägige Ratgeberliteratur bietet jede Menge Hilfestellung. Ich werde oft nach Buchempfehlungen gefragt und es gibt viele wunderbare Bücher zum Thema:

Um nur zwei herauszugreifen kann ich Dir Eva Maria Zurhorsts Buch: „Liebe Dich selbst und es ist egal, wen Du heiratest“ empfehlen. Aber auch „Lass uns in Frieden auseinandergehen“ von Katherine Woodword Thomas.

Und natürlich macht es einen Unterschied, ob es um einen One Night Stand nach einer durchzechten Nacht geht, oder um eine Affäre, bei der tiefere Emotionen und eine wirkliche Verbindung eine Rolle spielen.

Was nicht funktioniert ist die Methode „Augen zu und durch“. Wir gehen einfach über das Problem hinweg und tun so als wäre es nicht da. Wir fangen noch mal neu an, machen aber das Gleiche weiter. Das ist so, als stünde ein blauer Elefant im Raum und jeder tut so, als wäre er nicht da. Kurzfristig ist das Problem gelöst, langfristig wird es mit Sicherheit wieder auftauchen.

Auch da gilt, macht Euch ehrlich. Sucht das Gespräch und hört zu, auch wenn Euch manche Antwort nicht gefallen wird. Findet gemeinsam heraus, wie Ihr zusammen an diesen Punkt der Beziehung gekommen seid. Wie soll es weitergehen? Was verbindet Euch noch und wie können ihr darauf aufbauen. Eine tiefgründige Beziehungsarbeit wird nötig, um Vertrauen wieder aufzubauen und eine neue Beziehungsbasis zu schaffen, in der beide sich wieder wohl fühlen. Das ist meist ein längerer Prozess, aber er beginnt mit der Entscheidung füreinander. Mit dem Bekenntnis zur Beziehung, egal wie schwer es wird.


Wenn der Beziehungspartner, der eine längerfristige Affäre hat sich nicht entscheiden kann, dann sollte er oder sie sich einmal selbst darüber im Klaren werden, was er wirklich will, wo er hingehört.

Oft wird mit allen Mitteln versucht, ihn oder sie umzustimmen, zu überreden, mit Schuldgefühlen zu lenken. Das geht selten gut.

Man kann nicht am Gras ziehen, dass es wächst und man kann niemanden überreden, einen zu lieben. Liebe braucht Freiwilligkeit, auch wenn es manchmal weh tut, dass zu akzeptieren.


 

Der Moment in dem die Untreue ans Licht kommt, bleibt für immer unvergessen. Es ist ein emotionaler Deep Impact.

Der erste Impuls ist dann oft, die Beziehung sofort zu beenden, wenn man vom Seitensprung der Partnerin oder des Partners erfährt. Andererseits ist da oft noch viel Liebe für den Partner, die man dann oft noch viel schmerzlicher empfindet. Was also tun, in solch aufwühlenden Situationen, wenn alles herauskommt und die Tatsachen plötzlich auf dem Tisch liegen?

Zuerst einmal: überstürze nichts! Auch wenn es sich zuerst einmal so anfühlt, als würde Dir jemand den Teppich unter den Füßen wegziehen und Du fällst in ein endloses schwarzes Loch. Das ist ganz normal sich so zu fühlen, wenn mit einem Mal ein emotionales Erdbeben den Boden auf dem wir stehen, erschüttert. Du bist in einem emotionalen Ausnahmezustand. Da ist es gut, sich erst einmal zu sammeln, so gut das möglich ist, mit Vertrauten zu sprechen und seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Es ist okay zu weinen, und auch sich verzweifelt zu fühlen.


Als ich in meinen damaligen Mann dabei ertappte, dass er seit einem halben Jahr eine Beziehung zu einer sehr viel jüngeren Frau hatte, die ich in unser gemeinsames Leben geholt hatte, da wusste ich im ersten Moment nicht, ob es die Tatsache war, so lange belogen worden zu sein, die mir den Boden unter den Füßen wegzog, oder die Tatsache, dass ich mich verraten fühlte durch die Nähe und Intimität, die er einer anderen zuteil werden lies. Ich weiß aber auch noch, dass es ein Tornado an Scham und Schuldgefühlen und Wut war, der mich mit sich fort nahm und auch, ehrlich, gekränkte Eitelkeit und Stolz. Genaugenommen war es eine Mischung aus allem.


Ich kenne mich mit den Abgründen von Beziehungen aus eigener Erfahrung aus und nicht nur aus der Theorie. Und ich denke, das macht einen wirklichen Unterschied, diesen Wissen: wie es sich anfühlt.

Und genau deshalb weiß ich, dass es nicht reicht, die Schuldfrage zu stellen. Meine Ehe hat dieser Eruption nicht überstanden. Aber in der Verarbeitung dessen, wurde mir bewusst, dass sie schon vorher wenig Basis hatte. Die Affäre war nur der Auslöser für das Zusammenbrechen. Diese Frau hatte nicht unsere Beziehung kaputt gemacht. Das haben wir ganz alleine geschafft.

Das Fundament war schon lange irreparabel beschädigt. Wir haben nur lange so getan, als wäre es anders. Mir aber hat dieser schmerzhafte Prozess der Auseinandersetzung wirklich die Augen geöffnet über meine Rolle in diesem Drama. Ich hatte mich schon lange vorher selbst verraten. Ich war nicht glücklich, ich habe überbrückt und ausgehalten. Ich habe mich geopfert und habe mir eingeredet, das müsste so sein. Ich hatte mich selbst verloren oder mich außerhalb der Beziehung ausgelebt. Ich war auf dem besten Wege, das zu tun, was ich von meinen Eltern übernommen hatte.

Ich dachte: Ich habe mich entschieden, ich habe Verantwortung. Ein Kind, ein Haus, ein dies ein das. Ich hätte ihn nie verlassen. Er musste das für uns beide tun. So seltsam es klingt: Diese Erfahrung mit dem kompletten Zusammenbruch der Beziehung hat mich beziehungsfähiger gemacht. Heute, und das konnte ich damals nicht sehen, bin ich in einer wirklich lebendigen Beziehung- schon seit mehr als 13 Jahren. Ja, wir reiben uns oftmals aneinander. Aber wir sind aus Liebe und Freiwilligkeit in dieser Beziehung und das spüren wir beide immer wieder. Ich entscheide mich jeden Tag wieder neu für diesen Mann.

Heute darf ich andere Menschen dabei begleiten, Ihre Beziehungskatastrophen zu überwinden und das macht mich sehr glücklich. Es gibt keine Sicherheit dafür, dass es gelingt. Aber wenn beide es wollen und wenn da noch Gefühle sind, dann ist es eine Möglichkeit, die gelingen kann. Und ich darf es immer wieder mit erleben…

 

Deshalb: Redet miteinander. Auch wenn es schwierig ist, das ist der einzige Weg sich wiederzufinden. Der Moment der tiefsten Verzweiflung ist auch meist der der größten Chance auf Veränderung. Und er beginnt mit Mut zur Ehrlichkeit.

 

Stelle Fragen und höre wirklich zu. Jetzt hast Du nichts mehr zu verlieren. Du kannst die Zine der Beschuldigungen und gegenseitigen Vorwürfe verlassen und in einen wirklichen tiefen Austausch kommen.

Du kannst durch Deinen Schmerz hindurch gehen, um eine wahrhaftige Begegnung möglich zu machen. So seltsam es klingt: Sich nach Beziehungskatastrophen im Tal der Verzweiflung zu begegnen ist eine Gemeinsamkeit, die eine große Nähe und eine tiefe Begegnung möglich macht. Wir treten uns dann wieder gegenüber, so wie wir sind und hören auf Verstecken zu spielen und zu tun als ob.

Ich höre immer wieder in der Paarberatung den Satz „Wir haben das erste Mal seit ewigen Zeiten wieder wirklich miteinander gesprochen, überall das, was uns wirklich bewegt.“

Das ist eine der wirklichen Chancen, die aus dem Drama entstehen.

Wichtig ist für solche Gespräche, auf Augenhöhe zu bleiben und  aus der Täter und Opfer Spirale zu entkommen. Bewährt haben sich Spaziergänge zu zweit, um miteinander zu reden. Raus aus den vier Wänden, das schafft eine Musterunterbrechung und beim Laufen kommen auch Ihre Gedanken in Bewegung.


Oft wird die Affäre selbst als Täter oder Täterin gesehen. Diesen Menschen zum Feindbild aufzubauen, bringt wenig. Es ist nur der unbewusste Versuch, am Idealbild des Partners festzuhalten. Sie oder ihn gut dastehn zu lassen, damit er oder sie in unseren Augen unbeschädigt bleibt. Denn dann, so die innere Logik können wir ihn oder sie ja wieder zurücknehmen, wenn er bereut. Der der die arme Verführte kann nichts dafür. Das wird niemandem gerecht. So weh es tut, wir werden akzeptieren müssen, dass unser Partner jede einzelne Entscheidung selbst getroffen hat. Ihm oder ihr ist das nicht „passiert“. Uns solche Märchen zu erzählen ist unwürdig und keinerlei Basis für einen wirklichen Neuanfang.

Viel mehr braucht es Interesse und Erkundungswillen für die einzelnen Stationen unsere Beziehung. Wann ist emotional eine Kluft zwischen uns entstanden, obwohl wir funktional hervorragend weiter funktioniert haben?

Nach einem Seitensprung ist absolute Offenheit sehr wichtig. Wie viel muss man dem Partner über die Affäre erzählen, bzw. wie viel sollte man als Betrogene darüber wissen? Das werde ich oft gefragt.

Meine Meinung ist, wegzukommen von reinen Strategien. Am besten ist es reinen Tisch zu machen, auch weil wir uns dann selbst entsprechen und Authentizität leben. Aus Angst vor dem Risiko, dass mein Partner die Beziehung beendet die Hälfte zu verschweigen, mag wie eine kurzfristige Lösung aussehen. Langfristig wird genau das meist zur Falle. Irgendwann kommt nach meiner Erfahrung durch einen dummen Zufall eh die letzte Wahrheit ans Licht. Und das ist für ein eben neu aufgebautes Vertrauen tödlich. Oft fällt mir auf, dass eine regelrechte Erleichterung eintritt, wenn endlich die Wahrheit ungeschönt im Raum steht, und zwar auf beiden Seiten. Auch merke ich, dass Männer und Frauen einen regelrechten Instinkt dafür haben, dass da noch mehr ist.

Das führt dann zu Kontrolle und ist somit wieder Gift für eine neu erwachende Beziehung.

 

Ehrlichkeit ist der Königsweg. Es hat auch etwas mit Achtung und Respekt voreinander zu tun, sich selbst und dem zu konfrontieren was ist. Ich möchte Paaren dafür gerne Mut machen, es lohnt sich wirklich. Wo die Angst ist, ist der Weg.

 

Wie kann man es als Paar schaffen, die Krise zu überstehen?

  • Indem man neben den bereits beschriebenen Strategien von offener Kommunikation die Themen in der Beziehung auslotet, die die Beziehung eng und unlebendig gemacht haben. In dem wir über unsere Bedürfnisse sprechen.
  • Was wünschen wir uns wirklich in der Beziehung und wie können wir das in unsere Beziehung leben. Was müsste sich dafür ändern. Was ist der Anteil eines jeden einzelnen daran?
  • Warum genau sind wir eigentlich in der Beziehung: Aus Angst, aus Liebe oder Hoffnung?

 

Beziehungskatastrophen sind wie eine Art Feuertaufe. Wir werden gezwungen, unsere Komfortzone der gewohnten Selbstverständlichkeiten zu verlassen und über uns hinauszuwachsen. Wir müssen uns unseren schlimmsten Verlustängsten stellen. Alle Lügen und Scheinheiligkeiten fallen den Flammen zum Opfer und es bleibt nur übrig, was fest und tragfähig genug ist, um daraus etwas Neues zusammen zu bauen

 

„Ihre erste Beziehung ist vorbei“, höre ich mich oft sagen. „Das, was Sie jetzt versuchen ist eine Beziehung 2.0“ Sie wird auf einer anderen Dynamik aufbauen, damit sie lebendig bleiben kann. Denn wenn wir einfach so weitermachen wie vorher, wieso sollte diesmal etwas anders werden? Wir werden neue Katastrophen der Beziehung kreieren.

Wenn man das verstanden hat, kann man sich darüber klar werden, was einem wirklich wichtig ist, um sich in der Beziehung wohlzufühlen. Das gilt für beide Seiten.

Habt Ihr das herausgefunden, dann gilt es von nun an die Beziehung aktiv zu leben, anstatt sie einfach geschehen zu lassen. Und zwar, obwohl das Vertrauen vielleicht noch nicht wieder ganz stabil ist. Die Heilung der Beziehung findet auf vielen Ebenen nebeneinander statt, nicht nacheinander.

 

Jede neue positive Erfahrung die ihr zusammen macht, schafft eine neue Basis. Deshalb lohnt es sich, seine Aufmerksamkeit bewusst darauf zu richten, anstatt nur in der Vergangenheit zu leben.

 

Rituale des Vergebens, wie finde ich mein Vertrauen wieder?

Das Vertrauen wieder herzustellen ist ein Prozess und er beginnt mit einer bewussten Entscheidung. Möchte ich meinem Partner wieder vertrauen? Ich brauche ein klares Ja, um diesen Weg zu gehen. Denn das Vertrauen ist in mir selbst zerbrochen und dort kann ich es auch nur heilen. Mein Partner kann mir dabei helfen, wenn ich ihm sage, was mir dafür wichtig ist, aber er kann das Vertrauen nicht in mich hineintun.

Ich empfehle, diese Entscheidung in sich selbst zu finden, wenn das möglich ist: „Ja, ich möchte Dir wieder vertrauen lernen“- und dann bewusst diesen neuen Weg zu gehen, obwohl Du Angst haben wirst. Entscheide Dich für einen Vertrauensvorschuss und setze Dir für Dich selbst eine zeitliche Markierung, um eine neue Bestandsaufnahme zu machen.

Nach sagen wir mal drei Monaten prüfst Du wieder für Dich selbst, was sich verändert hat und wie es Dir wirklich in der Beziehung geht. Ist Dein Vertrauen gewachsen oder nicht? Gibt es reale Anhaltspukte für Deine Bedenken? Was könnte Dein Partner tun, um diese auszuräumen? Bittest Du ihn darum? Inwieweit ist er bereit, Dir entgegenzukommen. Was tut er oder sie aktiv, um Dir ein Gefühl von Geliebtsein zu geben? Was tust Du selbst?

So tastest Du Dich langsam wieder vor. Auf diese Weise bleibst Du selbstbestimmt, anstatt den Partner immer wieder neu zu verdächtigen, zu kontrollieren, oder zu klammern. Niemand kann die Vergangenheit ändern, auch nicht wenn es ihr oder ihm leid tut.  Aber man kann sehr viel dafür tun, um das Jetzt so zu gestalten, dass die Zukunft anders sein kann.

Wer eine Affäre hatte und sich bewusst dafür entschieden hat in der Beziehung zu bleiben, sollte die Bereitschaft haben die Verantwortung für seine Entscheidung zu übernehmen und dazu zu stehen. Ausflüchte helfen ebensowenig wie zu bagatellisieren, auch nicht, die Schuld dem anderen zuzuschieben. Wenn Du mit mir Sex gewollt hättest, dann hätte ich keine Affäre gehabt. Da machst Du es Dir zu einfach…

 

Denke darüber nach, wie Du Dein Bedauern zum Ausdruck bringen könntest, wenn Du es empfindest.

 

Wenn Du feststellst, dass Du eigentlich keine Liebe mehr für Deine Partnerin oder Partner empfindest, dann wird es niemandem, helfen, wenn Du aus Schuldgefühl in Deine Beziehung zurückkehrst und so tust als ob. Damit geht die Lüge weiter und das wird Dich nirgendwohin führen. Wirklicher Respekt Deinem Partner gegenüber ist, wenn Du Dich ehrlich machst.

  • Stelle Dich der  Wahrheit. Zeige Deine Gefühle und achte gleichzeitig auf Deine eigenen Grenzen. Einen Fehler gemacht zu haben bedeutet nicht, dass Du ein schlechter Mensch bist.
  • Versuche Verständnis aufzubringen, dass Deine Partnerin oder Dein Partner am Anfang ein großes Sicherheitsbedürfnis hat. Einfühlsamkeit ist hier gefragt.
  • Und investiert zusammen in eine neue, lebendige Beziehung. Füttert Euer WIR, nehmen Euch Zeit füreinander, entwickelt wieder gemeinsame Ziele, Schenkt euch Aufmerksamkeit, Nähe, Berührungen. Es ist oft die mangelnde Grundversorgung, die Beziehungen fehlt.
  • Auch Rituale um die Verletzung loszulassen, damit sie die Macht über die Beziehung verliert, können eine große Wirkung haben.

In der Paartherapie sammeln wir die leidvollen Gefühle und die Schmerzhaften Konflikte beider Partner und schreiben sie auch auf. Wir würdigen Sie. Wir geben ihnen Raum, da es wichtig ist, dass sie gesehen und gehört werden. Dann erst kann man die Verletzungen und Kränkungen nach und nach gehen lassen. Das geht über Verbrennen, oder mit dem Wasser davon tragen lassen. Manchmal haben wir sie auch in der Erde begraben. Rituale sind wunderbar als Bewältigungsstrategien geeignet, weil wir mit den verletzten Gefühlen aktiv umgehen, anstatt vor ihnen davonzulaufen.


 

Wie kann ich mein verletztes Selbstwertgefühl zurückzugewinnen und wie schaffe ich es, meinem untreuen Partner wieder zu vertrauen?

Untreue wird als Kränkung erlebt, dass uns etwas weggenommen wurde. Aber der andere gehört uns gar nicht. Und deshalb rate ich anstatt vom gekränkten Stolz zum verletzten Selbstwertgefühl rüberzuschauen. Fange an etwas zu tun, um Dir selbst den Wert zu geben, den Du tatsächlich hast. Er ist in Wirklichkeit nicht von Deinem Partner abhängig, auch wenn sich das im Moment so anfühlt.

 

Suche Dir Anerkennung und Bestätigung nicht ausschließlich in der Partnerschaft, sondern auch in anderen Bereichen Deines Lebens. Nimm Dir Zeit für Freunde, Hobbys, Dinge die Dich interessieren. Richte den Scheinwerfer der Aufmerksamkeit wieder auf Dich selbst. Leben aus Deiner Größe heraus. Du bist nicht diese Verletzung, Du bist viel mehr als das. Wenn Du Dich nicht darauf reduzierst, wirst Du das bald merken.

 

„Ich lasse Dich los, weil ich Dich liebe“ ist eine Haltung aus Deiner inneren Größe heraus. Sie lässt Deinem Partner die Freiwilligkeit. Kontrolle dagegen macht Dich klein und hält die Liebe am Gängelband. Sie wird ersticken.

Du kannst nicht Dein ganzes Leben argwöhnisch über Deinen Partner wachen, damit er nicht entfleucht. Kontrolle ist keine Liebe. Die aber möchtest Du? Mit Zwang wirst Du sie also nicht erreichen. Aber wenn Du loslässt, für Deine Wünsche und Bedürfnisse eintrittst, dann wirst Du herausfinden ob Dein Partner zu Dir zurückfinden möchte. Das braucht Mut und es kann sein, dass Du enttäuscht wirst. Traust Du Dich, der Freiwilligkeit gegen die Kontrolle zu tauschen?

Wichtig ist auch, dass Du Dir folgende Fragen stellst. Sie helfen Dir in eine selbstbestimmtere Haltung zu finden:

  • Bin ich selbst aus Angst, aus Liebe oder aus Hoffnung in dieser Beziehung?
  • Will ich Opfer der Umstände bleiben oder trotz meines Schmerzes wieder Gestalter der Situation sein?
  • Will ich diese Beziehung wirklich um jeden Preis? Wo ist meine Grenze?
  • Was brauche ich eigentlich, um mich wohl zu fühlen? Wie müsste die Beziehung sein, dass ich Sie als gelingend erlebe? Was wünsche ich mir von Dir? Was bin ich bereit, zu geben?
  • Was ist das Mutigste, dass ich für mich selbst in dieser Situation tun könnte?

 

In meinem Beratungsraum habe ich ein Bild mit Schmetterlingen. Ich bitte meine Klienten sich vorzustellen, wie sie auf einer Wiese stehen und Schmetterlinge fangen wollen. „Was tun Sie?“, frage ich.  „Ich nehme einen Kescher und versuche sie zu fangen“, ist die häufigste Antwort. „Okay, sie versuchen sie zu fangen und sie fliegen davon. Was machen Sie nun?“.

„ich laufe hinterher!“ „Sie laufen also hinterher und die Schmetterlinge fliegen davon. Immer weiter. Was könnten Sie noch tun?“

Meine Klienten schauen mich ratlos an. „Sie könnten sich um ihren eigenen Garten kümmern und ihn so einladend machen, dass sie sich selbst absolut wohl fühlen, dass die Schmetterlinge von alleine kommen um sich dann an ihnen zu freuen.“


 

Gib Dir die Aufmerksamkeit und die Bedeutung, die Du gerne von Deinem Partner hättest, Nimm Dich wichtig. Du hast Würde und Du bist so wie Du bist, ganz und gar wunderbar und liebenswert, egal was Dir gerade widerfährt oder wie jemand Dich behandelt. Du kennst ja mein Königinnen-Prinzip: Liebe, Würde, Mut & innere Größe.

Deine Liebe ist nichts, was einem hinterhergeworfen wird. Du entscheidest, wer es würdig ist, dass Du sie ihm schenkst. Du wirst das Zepter des Handelns wieder für Dich in die Hand nehmen und entscheiden, welche Art von Mensch Du in dieser Situation sein willst.

„Du kannst das Geschehene nicht ungeschehen machen. Aber Du kannst entscheiden, wie Du der Situation begegnest. Wählst Du das Drama und reagierst, bleibst Du in der Opferhaltung und machst Dich klein. Wählst Du Liebe und Frieden, dann beginnen Liebe und Frieden mit Dir. Das bedeutet auch, Grenzen zu setzen und für Deine Bedürfnisse einzutreten“

Egal, was Dir passiert ist- Du hast die Macht diesen Schmerz zu einer Chance für Dein eigenes Wachstum zu machen. Das bedeutet aber nicht, dass es einen Weg gäbe, Deinen Schmerz zu umgehen.

Das wünsch ich Dir von ganzem Herzen. Deine Claudia


 

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Ich freue mich auf Dich. Liebe Grüße, Claudia

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